PAIS VASCO

Regen prasselt auf das Kunstoffdach des alten VW Bullis. Draußen toben Wind und Wetter und schaumige Wellen schlagen gegen die seit Jahrhunderten Schutz suchenden Fischern Obdach gewährenden Hafenmauern des alten baskischen Fischerdorfes. Der Mond, der die mysthische Kraft besitzt Wasser zu bewegen, steht hoch und voll über der Szenerie und lässt die Gezeit gefährlich hoch an den Rand des Kais steigen. Drinnen liegen zwei in Schlafsäcken und Daunendecken eingepackte Gestalten denen das Grinsen, dessen Grund der vorrausgegangene Tag war, noch in die sonnenverbrannten Gesichter geschrieben steht. Wellen. Leere, kalte, cleane Wellen.

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Es ist Februar und damit hätte wohl niemand gerechnet. Am Wenigsten wohl Dän, seineszeichens Binsurfen Photograph und Wahl-Rostocker, der mich vor ein paar Wochen anrief – urlaubsreif und wintersatt. Kurzerhand wurden Flüge gebucht und Pläne geschmiedet und mit einem Blick auf die Wetterkarten stand schnell fest, dass das Ziel der kurzfristigen Winterflucht das Baskenland sein musste. Hier waren die Chancen am Größten onshorigen Winter-Atom-Stürmen und etwaigen, komischen Swellrichtungen vorbeugend entgegenzuwirken und möglichst viel Zeit auf dem Wasser zu verbringen.

Ein Wink des Himmels – mir passte das ziemlich gut in den Kram, denn die französische Düne und zugehörige Sandbank, welche ich momentan meine Heimat nennen darf, litt seit Wochen unter Dauerregen, Sturm und in alle Himmelsrichtungen zerblasene, doch vor allem unsurfbare Wellen.

Gesagt, getan – Pläne wurden geschmiedet, Informationen eingeholt, Straßenkarten gewälzt und die Homepage des Wetterdienstes meines Vertrauens war ab sofort wieder als Homescreen eingerichtet. Mein alter VW Bus wurde frühzeitig aus dem Winterschlaf gerüttelt und startklar gemacht: Proviant aufgefüllt, Gasflaschen gekauft, Matratze rein, den Winter raus – fertig.

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Als ich mit dem Packen fertig war, verharrte ich einen Moment auf dem Bett im Innern des Bullis sitzend. Die Stille die mich für den Bruchteil einer Sekunde umgab, die gedämpften Geräusche von außerhalb, das Sonnenlicht welches sich in der dreckigen Windschutzscheibe brach und Staubkörner zum Glühen brachte. All das lies mich an die vielen tausend Kilometer die mich dieser alte, rostige, doch vor allem geliebte Bus schon quer durch Europa getragen hatte denken. Wie viele unzählige Male war ich in diesem Bus schon mit Meeresrauschen auf den Ohren eingeschlafen. Wie viele Geschichten hat dieser Bus schon in mein Leben geschrieben. Es wird Zeit für die nächste!!

Ich kletterte nach vorne auf den Fahrersitz und drehte den vom Salzwasser ganz rostig gewordenen Schlüssel im Zündschloss um. Etwas müde aber dennoch gewollt mich zu neuen Abenteuern zu tragen, erwachte mein Bus hustend und stotternd zum Leben. In ein paar Stunden sollte Danger Dizzle in Bilbao ankommen. Ich fuhr vom Parkplatz und hinein ins Leben.

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Der Bulli kämpfte sich schnaubend und wahlweise nach Bremsen oder nach Kupplung riechend die kleine Küstenstraße entlang die dem aufkommenden Vergleich mit Alpen-Serpentinen um nichts nachstand. Gesäumt von mächtigen Eukalyptusbäumen konnte man durch das Dickicht des Forstes das Meer erahnen. Der salzige Geruch Bizkayas lag uns jedenfalls schon seit einiger Zeit in der Nase. Vor uns tauchte die nächste, unzählige Kurve auf hinter der wir in unbändiger Vorfreude eine Bucht mit perfekten Wellen erwarteten – doch die meist nur den Blick auf die nächste Steigung, das nächste Tal freigab. ,,Wie weit ist denn das noch?“ – fragte Dan mit einem ungläubigen Blick auf die Karte auf der unser Bestimmungsort nur knapp 5 cm von unserem Herkunftsort entfernt lag. Die Antwort ergab sich wie von selbst, als der alte Bulli mit letzter Kraft die vor 10 Minuten vor uns aufgetauchte Bergkuppe überwunden hatte und der salzige Meergeruch gänzlich dem beißenden Geruch der Kupplung gewichen war.
Der Ausblick war überwältigend – vor uns lag eine Bucht, die geschützt von einer vorgelagerten, verlassenen Insel den Blick auf eine perfekte, an dem äußersten Point der kleinen Insel nach links brechenden Welle freigab. Andere Surfer im Wasser? Fehlanzeige..

Wir ignorierten den wieder einsetzenden Geruch der nun vor sich hinschmelzender Bremsbelege und machten uns auf den Weg bergab in Richtung Meer.

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,,Also ich hab ja einiges erwartet.. Aber DAS?“ murmelt Dan, bereits im Halbschlaf. Erinnerungsfetzen an die letzte Session schwirren uns durch die Köpfe. Wellen. Leere, kalte, cleane Wellen. Mit den Gedanken an die vergangenen Tage versuche ich einzuschlafen, ein paar Stunden Schlaf zu erlangen bevor der Wecker morgen in aller Herrgottsfrüh

klingelt damit wir es rechtzeitig zum Flughafen schaffen. Hinter uns liegt eine großartige Zeit, vor uns der Sommer unseres Lebens. Stoke Level Always High.

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Epilog:

Es ist 01:57 Uhr als Däns Handy klingelt. Eine SMS von Air France – der Flug wurde um 2 Stunden vorverlegt und geht auf Grund ,,technischer Probleme“ nicht nach Berlin sondern nach Amsterdam! ,,AMSTERDAM??? Was soll ich denn in Amsterdam??“. Noch im Halbschlaf kippen wir eine ganze Kanne Kaffee innerhalb kürzester Zeit (12 min) in uns hinein. Zum Glück haben wir das Auto schon am Vorabend gepackt. Der letzte Rest Kaffee bleibt in unseren Tassen einsam vor sich hindampfend zurück – wir haben noch einen weiten Weg vor uns.

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Text: Jules Ahoi

Fotos: Dan Petermann & Jules Ahoi